Das Schengener Informationssystem zählt zu den wesentlichen Bestandteilen des Schengener Abkommens, das nicht nur den EU-weiten Warenaustausch erleichtert, sondern auch die Reisefreiheit innerhalb des Staatenbundes ermöglicht.
Vom Schengener Abkommen haben die meisten Menschen in der Europäischen Union (EU) schon einmal gehört. Seinen Namen verdankt es der kleinen Gemeinde Schengen im Großherzogtum Luxemburg. Dort wurde das Schengener Abkommen am 14. Juni 1985 verabschiedet, um den Warenaustausch im europäischen Binnenmarkt zu erleichtern. Einen weiteren Effekt des Abkommens kennt jeder, der schon einmal eine Grenze im Schengen-Raum überquert hat: Die früher üblichen Grenzkontrollen fielen (weitgehend) weg.
Weniger Menschen wissen, dass zum Schengener Abkommen auch ein elektronischer Fahndungsverbund gehört, das sogenannte Schengener Informationssystem (SIS). Nach offiziellen Angaben der Europäischen Kommission handelt es sich dabei um das „am weitesten verbreitete und größte System für den Informationsaustausch in den Bereichen Sicherheit und Grenzmanagement in Europa“. Das SIS ist im Wesentlichen ein Verbund nicht öffentlicher Datenbanken, in denen Behörden wie Polizei und Grenzschutz Daten eingeben und Suchanfragen starten können.
Wie das Schengener Informationssystem aufgebaut ist
Das SIS II besteht aus je einem National Schengen Information System (N.SIS) in jedem Mitgliedsstaat und einem Central Schengen Information System (C.SIS) im französischen Straßburg. Ein Back-up-System mit einer Kopie der zentralen Datenbank befindet sich im österreichischen St. Johann im Pongau. Laut einem älteren Bericht auf Heise Online „arbeitet der nationale SIS-Adapter mit einem PA-Risc-System unter HP-UX, das nicht mehr weiterentwickelt wird“, während die meisten „EU-Staaten auf Red Hat Linux“ setzen. Ob diese Angaben heute noch zutreffen, ist nicht bekannt.
Behörden können über dedizierte Knoten (SIRENE genannt) auf die Datenbank zugreifen. Direkte Verbindungen zu den Systemen anderer Länder sind jedoch nicht möglich. Der SIRENE-Knoten für Deutschland befindet sich beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.
Wer Zugriff auf das Schengener Informationssystem hat
Seit dem Bestehen des Schengener Informationssystems hat sich der Kreis der zugriffsberechtigten Behörden erweitert. So schreibt die Bundesregierung im Jahr 2020 in einer Antwort auf eine Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter, dass „in Deutschland die folgenden Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf im SIS II gespeicherte Daten zugreifen können: Bundeskriminalamt, Bundespolizeipräsidium, Bundespolizeidirektionen, Polizei beim Deutschen Bundestag, Zollkriminalamt, Zollfahndungsdienststellen, Hauptzollämter, Polizeidienststellen der Länder, Ausländerbehörden der Länder, diplomatische und konsularische Vertretungen, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundesverwaltungsamt, Kraftfahrt-Bundesamt und Kraftfahrzeugzulassungsstellen“ (PDF).
In dem Schreiben nennt die Bundesregierung die Zahl von „circa 2.000 weiteren Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden“, die an das SIS angeschlossen werden sollen. Zur Frage, wie sich dadurch die Gesamtzahl der Zugriffsberechtigten erhöhe, lägen hingegen „keine Erkenntnisse“ vor. Diese Ausweitung stieß auf Kritik, da sie die in Deutschland vorgeschriebene Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten durchbrechen könnte. Zudem steige die Gefahr des Missbrauchs, schreibt Heise Online in einer entsprechenden Meldung.
Wer nach weiteren Zahlen und Fakten sucht, muss etwas tiefer graben. So berichtet die European Union Agency For The Operational Management Of Large-Scale IT Systems (EU-LISA) in einem im März 2022 veröffentlichten PDF von knapp 90 Millionen Datensätzen beziehungsweise Alerts, die Ende 2021 im SIS II gespeichert waren. Das Schengener Informationssystem II (SIS II) sollte bereits 2007 in Betrieb gehen, aus verschiedenen Gründen verzögerte sich der Start jedoch bis 2013. Zudem stiegen die Kosten laut einem Medienbericht von ursprünglich veranschlagten 15 Millionen Euro auf über 190 Millionen Euro.
Wie intensiv das Schengener Informationssystem genutzt wird
Wie aus dem Bericht von EU-LISA hervorgeht, nahm die Nutzung des Schengener Informationssystems in den vergangenen Jahren deutlich zu. Allein im Jahr 2021 erfolgten fast sieben Milliarden Suchanfragen, berichtet das Amt mit Sitz im estnischen Tallinn. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung um rund 88 Prozent. Dies sei jedoch zu einem großen Teil auf die vorangegangenen Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie zurückzuführen.
Zusätzlich zu den Suchvorgängen wurden mehr als 16 Millionen „Operationen“ durchgeführt, um neue Warnungen zu erstellen und bestehende zu bearbeiten. Das ist deutlich weniger als die 26 Millionen Operationen im Jahr 2018 beziehungsweise die 28 Millionen Operationen ein Jahr später.